12. November 2020
Immer wieder werde ich gefragt, ab wann man sich über eine mögliche Patentierung Gedanken machen soll. Also, ob die Erfindung schon vollständig durchgeplant sein muss und am besten schon ein erster Prototyp vorhanden ist oder ob die reine abstrakte Idee genügt. Die Antwort auf diese Frage entscheidet letztlich darüber, ob sich der Gang zum Patentanwalt schon lohnt oder ob einen der wieder heimschicken wird mit den Worten „Da bräuchte ich schon etwas mehr Input, sonst wird es etwas wackelig. Kommen Sie doch in einem Monat wieder“.
Für Ungeduldige die Antwort ist: „Irgendetwas zwischendrin und es hängt vom Fachgebiet der Erfindung ab.“
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich mit der „Ausführbarkeit“ bzw. „Ausreichenden Offenbarung“ einer Erfindung beschäftigten.
Wenn eine Erfindung zum Patent angemeldet werden soll, muss der Anmelder beim zuständigen Amt eine Patentanmeldung einreichen. Die Patentanmeldung muss neben ein paar formalen Angaben zum Anmelder und einem Antrag zur Erteilung eines Patents eine Beschreibung der Erfindung und Patentansprüche umfassen.
Durch die Patentansprüche wird festgelegt, was unter Schutz gestellt werden soll, sodass der Formulierung der Ansprüche größte Bedeutung zukommt. Wer hier schlampig arbeitet, kann am Ende gar ohne Patent ausgehen oder ein „nutzloses“ und leicht umgehbares Schutzrecht erhalten. Damit das nicht passiert und der Erfinder möglichst viel Schutz bekommt, sind die Patentansprüche oft sehr abstrakt, allgemein und teilweise kryptisch formuliert.
Damit die Erfindung und vor allem die Patentansprüche verständlicher werden, ist die Beschreibung als Teil der Patentanmeldung vorgeschrieben. In der Beschreibung ist das technische Umfeld der Erfindung anzugeben, also wozu die Erfindung eingesetzt werden soll, welches technische Problem die Erfindung lösen soll und was bisher als vergleichbares oder ähnliches (Stand der Technik) bekannt ist. Durch diese Angaben wird das Fachgebiet der Erfindung festgelegt und welcher Fachmann sich mit solchen Erfindungen normalerweise beschäftigt. Handelt es sich beim Fachmann also um einen Innenraumplaner der ein Schranksystem plant, einen Informatiker der eine Kryptowährung entwickelt oder ein Hundebesitzer der eine Hundebürste verbessert hat. Je Fachmann und Fachgebiet wird dann entschieden, was als „fachüblich“ und bekannt angesehen wird.
Vor allem aber muss die Beschreibung die Erfindung so beschreiben, dass sie ausführbar ist und dem Fachmann zur Auslegung der Patentansprüche dienen kann. Dabei soll zumindest ein ausführbarer Weg dargestellt werden, durch den man die Erfindung erhalten bzw. nachbauen kann. Dabei muss nicht in jedem Detail erklärt werden, wie man etwas macht, zum Beispiel nicht welche Schrauben oder Programmierumgebung verwendet werden soll. Denn die Patentanmeldung der Erfindung richtet sich ja an einen Fachmann, der auf seinem Fachgebiet automatisch weiß, wie er gewisse Dinge umsetzen und zu verstehen hat. Besonderheiten und Neuerungen sollten dagegen schon etwas näher ausgeführt werden. Eine wissenschaftliche Begründung, warum und wie man etwas macht, muss in der Regel auch nicht mitgeliefert werden.
Das klingt immer noch sehr abstrakt? Ich stelle mir dazu in der Praxis immer die Frage: „Würde ich die Erfindung bzw. Idee die mir präsentiert wird, alleine oder zusammen mit einem fachmännischen Freund ausführen können bzw. nachbasteln können“. Wenn ich der Ansicht bin, ja das bekommen wir schon hin, wobei ein paar wenige Fehlschläge auch ok für uns sind, dann gehe ich von einer „ausführbarer Erfindung“ aus. Wenn ich glaube „Puh, das wird echt schwierig, da müssen wir hunderte Versuche starten und eigentlich weiß ich nicht, was ein Warp-Antrieb ist und auch im Internet finde ich nichts, wie ich den bauen kann“, dann würde ich den Erfinder bitten, mir zumindest einen Weg zu beschreiben, wie man die Erfindung umsetzten kann, bevor die Patentanmeldung ausgearbeitet wird.
Zur Frage „Wann spätestens“ möchte ich nur kurz auf die Problematik „First come, first get“ und „Schädliche eigene Offenbarung“ hinweisen. „First come, first get“, auch „First to invent“ genannt, bezeichnet die Tatsache, dass derjenige der die Erfindung zuerst beim Amt anmeldet, auch das Recht auf das Patent hat. Wer also zu lange wartet, riskiert das ein Anderer die gleiche Erfindung anmeldet und man selbst kein Patent mehr erhalten kann. Wer besonders stolz auf seine Erfindung ist, allen freudig davon erzählt und auf Instagram auch erste Fotos von der Erfindung postet, der schafft sich evtl. am Ende noch schädlichen Stand der Technik durch eigene Offenbarung der Erfindung. Mit dem Werben oder gar wissenschaftlichen Artikeln, sollte also solange gewartet werden, bis die Erfindung beim Patentamt angemeldet wurde. Dabei sollte man am besten noch etwas Zeit für die Bearbeitung durch den Patentanwalt eingeplant werden, sodass der Gang zum Patentanwalt spätestens 1-2 Wochen vor der Vermarktung eingeplant werden sollte.
Fazit: Über eine Patentanmeldung sollte spätestens ernsthaft nachgedachte werden bevor die Vermarktung und Veröffentlichung erfolgt. Andererseits sollte die Erfindung zumindest schon so weit sein (genügt in der in Theorie), dass die Erfindung zumindest rein prinzipiell produziert oder ausgeführt werden könnte. Ein Prototyp oder Detailplanung ist dagegen nicht erforderlich.
Für Fragen hierzu oder allen weiteren Fragen zu Patent, Marke und Co. könnt ihr mir hier oder unter mail@patentmanufaktur.de eine Nachricht zukommen lassen.
Foto : Pixabay/Pixabay
Verfasser: Dr. Matthias Schindler (12.11.2020)