11. September 2020
Spannende Frage, die sich vielen früher oder später stellen wird. Spoiler vorab, eine klare Antwort gibt es noch nicht und der BGH sucht nun Rat beim EuGH.
Typische Konstellationen
Ein Mandant kommt zu uns in die Kanzlei und ist – emotional zu Recht – verärgert, dass eines seiner eigenen Produkte von einem Mitbewerber kopiert wird. Im Gespräch erfährt man dann, dass das Produkt vor 2 Jahren auf den Markt ging und durch Werbeanzeigen, TV-Spots und auf Messen beworben wurde. Um ein Schutzrecht (z.B. Designschutz) hat der Mandant sich – ausversehen – nicht gekümmert.
Würde der Mandant über ein Schutzrecht verfügen, wäre die Ahndung der Verletzung wahrscheinlich relativ einfach. Ohne ein Schutzrecht ist man auf dem Gebiet des UWG und der nichteingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Design), was beides diffiziler ist als das Vorgehen aus „richtigen“ Schutzrechten. Im Folgenden soll es aber nur um die nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster gehen.
Das Problem und die Frage die sich dann häufig ergibt: Mein Mandant hat Produkt A als Ganzes beworben und möchte jetzt gegen ein Produkt B vorgehen, dass nur einen Teil (z.B. Front) von Produkt A kopiert, verbieten. Hat mein Mandant dann ein nichteingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf „nur“ die Front oder nur auf das Produkt A als Ganzes (Front, Rückseite etc.)? Der BGH weiß es nicht, hat ein Gefühl und die Antwort soll nun der EuGH geben.
Nichteingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster schützt eine Erscheinungsform eines Produkts für 3 Jahre ab seiner ersten Veröffentlichung in Europa, wenn die Erscheinungsform neu ist und eine Eigenart aufweist. Der Inhaber muss somit im Wesentlichen nichts tun, außer das Design in Europa zu veröffentlichen. Der resultierende Schutz ist dann aber auch im Wesentlichen auf das Nachahmen beschränkt, also „weniger“ als für ein eingetragenes Design.
BGH I ZR 1/19 „Front kit“
Im Fall des BGH ging es konkret um die Frontansicht eines Fahrzeugs. Das Fahrzeug wurde in Pressemitteilungen und TV-Beiträgen stets als Ganzes gezeigt. Der Kläger ist der Auffassung, dass er durch diese Veröeffentlichungen einen Schutz auch „nur“ auf den Fondbereich hat, um so die Beklagte (Vertrieb von Anbauteilen) zu belangen.
Der BGH legt nun dem EuGH zwei Fragen vor, durch die geklärt werden soll, ob ein solcher „Elementenschutz“ bzw. Schutz auf Teile eines Produktes für ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster existiert. Er lässt seine vorläufige Auffassung auch durchblicken, nach der ein solcher Teilschutz aus Gründen der Rechtssicherheit zu verneinen wäre.
Was der EuGH sagt wird spannend werden. Ich gehe davon aus, dass der EuGH einen solchen Teilschutz auch verneinen wird. Dies würde für den Produktschutz bedeuten, dass Designs ein wichtiger Baustein zur Absicherung gegen Produktpiraterie sein werden und Eigeninitiative von Anfang an gefragt ist.
Gerne unterstütze ich Sie ihre Entwürfe und Produkte optimal zu schützen! Im persönlichen Gespräch können wir das Potential. Kosten und Konzept konkret auf Sie abstimmen und erörtern.
Foto : Pixabay/Foto-Rabe
Verfasser: Dr. Matthias Schindler (11.09.2020)